Achtsamkeitsübungen können gut im Alltag eingebaut werden. Der in Hamburg tätige Psychologe und Achtsamkeits-Trainer Paul Stammeier empfiehlt eine Reihe von Übungsmöglichkeiten für den Alltag. An seinen Vorschlägen haben wir uns orientiert und ein einwöchiges Achtsamkeits-Übungsprogramm für dich und uns zusammengestellt.
Warum Achtsamkeit im Alltag ein Weg zu mehr Glück ist
Achtsamkeit ist im Buddismus verwurzelt und findet in den letzten 50 Jahren auch in der westlichen Welt immer mehr „Fans.“ Wissenschaftler haben nachweisen können, wie sich Achtsamkeit positiv auf Depressionen auswirkt und Stress senkt. Außerdem Hilft Achtsamkeit uns dabei, unsere Emotionen besser zu kontrollieren. Es erhöht die Stimmung und macht zufriendener und glücklicher. Das schöne an Achtsamkeitsübungen, sie sind nicht auf das Meditationskissen und ganz viel Ruhe angewiesen. Achtsamkeit lässt sich auch an jeder Ampel praktizieren.
Die einfachte Achtsamkeitsübung, die du überall durchführen kannst
Unseren Atem haben wir immer dabei. Bei der einfachsten Achtsamkeitsübung für den Alltag geht es darum, sich über das Einatmen und Ausatmen bewußt zu werden. Es ist so einfach wie es klingt. Du atmest ein und merkst: ich atme ein. Und du atmest aus und bist dir bewußt über das, was du tust. Häufig wird unsere Achtsamkeit durch Gedanken unterbrochen. Lass die Gedanken kommen und gehen und kehre wieder zurück zu diesem Atemzug…und diesem Atemzug.
Je häufiger Achtsamkeit im Alltag geübt wird, desto länger bleiben unsere Gedanken beim Atem. Diese Übung kann eine Minute oder auch 20 Minuten praktiziert werden.
5 Hilfestellungen bei Achtsamkeitsübungen im Alltag
Vielleicht hast du Lust, eine Woche jeden Tag eine Achtsamkeitsübung in deinen Alltag zu integrieren. Nimm dir für diese eine Woche vor, jeweils täglich eine Handlung bzw. Tätigkeit achtsam und bewusst zu tun. Es ist hilfreich, dies in den Tagesablauf einzuplanen.
Vorab 5 Punkte, die dir helfen sollen, deine Achtsamkeitsübungen zu machen. Es gibt hier wie beim Yoga kein richtig oder falsch. Jeder Schritt in Richtung Entspannung und Achtsamkeit wird dir guttun. Auch der kleinste Schritt.
1. Wenn du Achtsamkeit im Alltag üben möchtest, lenke deine Aufmerksamkeit und Konzentration immer wieder auf das, was du in dem Moment wahrnimmst. Das wird dir zu Beginn vielleicht schwerfallen, da es zunächst ungewohnt ist. Es ist ähnlich wie beim Fahrradfahren: das hast du auch nur durch Übung gelernt! Lasse dich nicht entmutigen, es weiter zu versuchen, wenn du nicht beim ersten Mal eine Veränderung bemerkst.
2. Versuche das, was du wahrnimmst, nicht zu bewerten. Beobachte nur deine jeweiligen Empfindungen. Wie fühlt es sich an? Wie fühlst du dich?
3. Aufkommende Gedanken kannst du vorüberziehen lassen. Wie Wolken. Eine Wolke kommt in dein Blickfeld, sie bleibt einen Moment über dir und zieht schließlich weiter. Übe das mit einer Sitz-Meditationsübung. Versuche, dich ausschließlich auf deinen Körper in der Sitzhaltung zu konzentrieren, deine Körperempfindungen zu spüren. Wenn dir andere Gedanken in den Sinn kommen, nehme diese als solche wahr und komme dann mit deiner Aufmerksamkeit zurück zu deiner Körperwahrnehmung.
4. Wenn du Gefühle wahrnimmst, beobachte diese. Versuche nicht, sie zu ignorieren oder zu unterdrücken. Hiermit ist gemeint, auch negative Empfindungen anzunehmen. Mit „annehmen“ ist jedoch nicht „gutheißen“ gemeint. Annehmen ist die Entscheidung, den Augenblick zu akzeptieren, anzuerkennen, „was ist“.
5. Versuche deine Aufmerksamkeit immer wieder auf die entsprechende Tätigkeit oder Sinnesempfindung zu lenken!
Tipps für Übungsmöglichkeiten im privaten Alltag:
Montag: Bewusstes Zähneputzen steht heute auf dem Programm. Wie fühlt sich der Kontakt der Zahnbürste am Zahnfleisch, den Zähnen an? Wie schmeckt die Zahnpasta? Wie fühlt sich die Bewegung der putzenden Hand an? Welche Körperhaltung hast du beim Zähneputzen? Gehe nicht dabei umher oder mache etwas Anderes gleichzeitig. Nimm die Empfindungen bewusst wahr. Lenke deine Gedanken immer wieder auf die Tätigkeit des Zähneputzens!
Dienstag: Den ersten Kaffee oder lieber Tee am Morgen genießen: Nimm den Geruch wahr. Vielleicht kannst du bei jedem weiteren Schluck, den du trinkst, Veränderungen im Geschmack wahrnehmen?
Mittwoch: Dusche achtsam: An welchen Körperstellen ist die Berührung mit dem Wasserstrahl besonders intensiv? Angenehm, unangenehm? Höre genau auf das Rauschen des Wassers, nimm den Geruch deines Duschgels bewusst wahr und wie sich der Kontakt damit auf der Haut anfühlt.
Donnerstag: Creme deinen Körper aufmerksam ein. Wie fühlt sich dein Körper an? Welche Reihenfolge nimmst du beim Eincremen der einzelnen Körperteile vor? Ist es immer dieselbe? Nimm bewusst den Duft der Creme auf deiner Haut wahr und die Veränderung vom Eincremen bis zum vollständigen Einziehen der Creme in die Haut. Höre dabei keine Musik oder Radio.
Freitag: Kämme deine Haare. Wie fühlt sich das Streichen des Kammes / der Bürste auf deiner Kopfhaut an? Wie die Bewegung der Haare? Erlebst du dies als angenehm oder nicht? In welchem Tempo vollziehst du diesen Bewegungsablauf? Wie stehst du dabei? Vor dem Spiegel? Wie lange dauert es?
Samstag: Nimm heute eine Mahlzeit achtsam zu dir. Spreche nicht dabei, höre keine Musik. Schalte das Telefon und den Fernseher dafür aus. Iss bewusst. Nimm die Konsistenz, den Geruch der Mahlzeit wahr. Kaue jeden Bissen langsam und sei mit deiner Aufmerksamkeit beim Geschmack des Essens.
Sonntag: Steht ein Hausputz oder der Abwasch an? Auch hier kannst du Achtsamkeit üben. Beobachte deine Bewegungsabläufe und wie sich dein Körper dabei anfühlt. Welche Haltungen sind evtl. schmerzhaft, welche günstiger? Höre auch hierbei keine Musik, unterhalte dich nicht.
Wie haben dir unsere Achtsamkeitsübungen für die Woche gefallen? Schreibe uns gerne. Hast du noch andere Ideen für Achtsamkeit im Alltag?
Wenn du wissen möchtest, wie Achtsamkeit im beruflichen Alltag funktioniert, lies auch diesen Artikel.
Literaturtipps zum Weiterlesen:
- Jessica Wilker (Autor), „Das Einmaleins der Achtsamkeit – Vom täglichen Umgang mit alltäglichen Gefühlen“, Theseus Verlag, Neuauflage Oktober 2007
- Thich Nhat Hanh (Autor), „Jeden Augenblick genießen: Übungen zur Achtsamkeit“, Theseus Verlag, Auflage, September 2007
- Jon Kabat-Zinn (Autor), Renate Seifarth (Übersetzerin), „Stressbewältigung durch die Praxis der Achtsamkeit“ (Buch mit Audiobook), Arbor-Verlag; November 1999
Weblinks: